Abt. 170, Kali + Salz AG, Niedersächsische Werke

Umfang 148 lfd. m
Laufzeit
Findmittel Datenbank

Geschichte des Bestands

Der Bestand 170 umfasst vor allem die Unterlagen der Verbundwerke Bergmannssegen-Hugo, Siegfried-Giesen und Niedersachsen-Riedel bzw. der vorangegangenen Einzelwerke. Zudem sind vereinzelte Akten weiterer Werke, die nach ihrer Stilllegung diesen Verbundwerken zugeordnet wurden, vorhanden, darunter u.a. die Werke Asse, Desdemona oder Hildesia. Hinzu kommen wenige Akten aus der Verwaltung der Gewerkschaft Burbach (bzw. später dem Burbachkonzern) und der Wintershall AG, bei letzterer vor allem Grundstücksangelegenheiten. Die Akten wurden im Rahmen einer größeren Übernahme 1997 von der Kali+Salz AG übernommen, bei denen auch die Akten der Werra-Werke (Abt. 150), der Gewerkschaften Baden und Markgräfler (Abt. 155), des Werks Neuhof-Ellers (Abt. 149) sowie der Presseabteilung des Konzerns (Abt. 184) übernommen wurde. Bis zur Übernahme lagerten die Akten des Bestand 170 auf den einzelnen Werken verteilt. Sie wurden zwischen 2020 und 2023 verzeichnet und das Findbuch erstellt. Insgesamt umfasst der Bestand 969 Akten, darunter 12 Akten mit Fotos (Negativen), die vermutlich der Anfangszeit der Werke um Siegfried-Giesen zuzuordnen sind (aber leider unbeschriftet und geordnet waren).

Das Findbuch ist nach den Verbundwerken gegliedert. Die Überlieferung der einzelnen Werke unterscheidet sich stark. Die meisten Akten stammen aus dem Zeitraum 1920 bis 1970, jedoch sind auch Verträge aus dem späten 19. Jahrhundert sowie Korrespondenz der 1990er Jahre vorhanden.

Geschichte des Unternehmens

Die Niedersächsischen Werke der K+S AG waren ein Zusammenschluss mehrerer Kaliwerke. Der Kaliabbau in der preußischen Provinz Hannover erlebte am Anfang des 20. Jahrhunderts einen Boom, da dort ein liberaleres Bergrecht als im restlichen Preußen herrschte. Es entstanden eine Vielzahl meist kleiner Werke, von denen die wichtigsten Siegfried-Giesen, Bergmannssegen-Hugo und Niedersachsen-Riedel sind.

Bergmannssegen-Hugo

Die Wurzeln des Verbundwerks Bergmannssegen-Hugo liegen in der Dr. Wilhelm Sauer-Gruppe. Sie wurde von Dr. Robert Sauer zusammen mit seinem Bruder Dr. Wilhelm und Hugo Cronjäger gegründet, um Kaliwerke im Raum Hannover zu betreiben. Ab 1905 übernahm Wilhelm Sauer die Führung. Ihm gelang es, den Baron von Dannenberg und Otto Graf Grote als finanzstarke Investoren zu gewinnen. Die Sauer-Gruppe bestand aus den fünf formal unabhängigen, bergmännischen Gewerkschaften Hohenfels, Hugo, Bergmannssegen, Erichssegen und Hohenfels, deren Kuxenmehrheit jedoch im Besitz der anderen Gewerkschaften, Sauer, von Dannenberg und/oder Grotes waren. 1930 erlangte die Wintershall AG die Mehrheit über alle Gewerkschaften.

Werk Hohenfels, Wehmingen

Die Gewerkschaft Hohenfels wurde 1876 im Siegerland für den Abbau von Eisenerz gegründet. 1897 erwarb Wilhelm Sauer die Kuxe für die Errichtung eines Kaliwerks. Dieses wurde zwischen 1897 und 1903 abgeteuft und konnte 1904 erstmalig Salze absetzen. Trotz qualitativ guter Salzlager verschob sich der Schwerpunkt des Sauer-Konzerns in den 1920ern zum Werk Hugo. Aufgrund des räumlichen Abstandes von Hohenfels (die Anlagen trennten ca. 6km und das fremde Kaliwerk Friedrichshall). Hohenfels verlor an Bedeutung und wurde 1927 als Reservewerk stillgelegt. 1937 übergab die Wintershall AG das Werk als Muna an den Reichsfiskus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb nicht wieder aufgenommen.

Werk Hugo, Ilten (heute Sehnde)

1899 wurde die Gewerkschaft Hugo mit Sitz in Ohrdruf gegründet, die das Werk in Sehnde betreiben sollte. Der Firmensitz wurde gewählt, um vom günstigeren gothaischen Bergrecht profitieren zu können. Zwischen 1907 und 1909 wurde der Schacht abgeteuft, das erste Salz 1909 abgesetzt. 1910 folgte die Mitgliedschaft im Kalisyndikat.

Um der Zweitschachtverordnung zu genügen sollte zunächst mit Bergmannssegen ein zweites Kaliwerk gebaut werden, dass durchschlägig werden sollte. Dazu wurde 1910 etwa die Hälfte des Abbaufeldes Hugos an Bergmannssegen übertragen. Hugo sollte das zentrale Werk werde, daher wurde 1909 ein Elektrizitätswerk zur Versorgung beider Werke und 1925-1926 eine gemeinsame Chlorkaliumfabrik errichtet. Die Pläne änderten sich 1910. Als Zweitschacht für Hugo wurde das Werk Erichssegen eingerichtet. Im Zuge der Konzentration des Sauerkonzerns wurde Bergmannssegen zum Zentrum der Förderung, ab 1927 wurde die Kaliförderung auf Hugo eingestellt, bis 1930 wurden noch geringe Mengen Steinsalz abgebaut. Allerdings war das Werk weiterhin für die Energieversorgung und Rohsalzverarbetiung der Gruppe zuständig, bis die Weltwirtschaftskrise 1932 die Einstellung erzwang. Ab 1938 wurde die Fabrik wieder in Betrieb genommen und war insbesondere während des Zweiten Weltkriegs gut ausgelastet, bis die Anlagen im April 1945 von den Alliierten besetzt wurden, allerdings wurde die Förderung im Mai bereits wieder aufgenommen.

Erichssegen, Lehrte

Die 1910 erworbene Gewerkschaft Erichssegen mit Sitz in Freudenberg, Krs. Siegen, erhielt ein Abbaufeld von insgesamt einem preußischen Maximalfeld von Hugo und Bergmanssegen abgetreten. Der Schacht in Lehrte wurde mit starker Verzögerung durch den Weltkrieg zwischen 1912 und 1916 fertiggestellt werden. Im Zuge der Rationalisierung und Konzentration des Betriebs der Sauer-Gruppe wurde Erichssegen 1927 stillgelegt. Ab 1935 wurden die Anlagen an das Reich verpachtet, der die Munitionsnebenanstalt (Muna) Lehrte in den Grubenbauen einrichtete.

Bergmannssegen, Lehrte

Die Gewerkschaft Bergmannsegen zu Köln erwarb ein Konsortium um Sauer 1910. Der Schachtbau konnte bis 1912 vollendet werden, 1916 folgte der Durchschlag zum Werk Ottoshall, um der Zweitschachtverordnung zu genügen. Die geförderten Salze wurden über eine Seilbahn zur Fabrik beim Werk Hugo transportiert. Im Zuge der Konzentration der Sauer-Gruppe übernahm Bergmannssegen die Beteiligungsziffern aller anderer Werke und wurde zum einzigen fördernden Werk. Die Produktion stieg während des Zweiten Weltkriegs an, bis das Werk im April 1945 besetzt wurde. Wie bei Hugo begann die Förderung bereits im Mai wieder.

Ottoshall, Lehrte

1913 erwarb der Sauer-Konzern die Gewerkschaft Mars II mit Sitz in Hohensalza (Westpreußen). Sie wurde direkt in Königshall umbenannt und sollte das Zweitwerk für Bergmannssegen betreiben. Der Schacht in Lehrte wurde 1913 bis 1915 errichtet und 1916 mit Bergmannssegen durchschlägig. 1917 entschied man sich dazu, das Werk nur als Wetterschacht zu nutzen und stellte die Förderung ein, erwarb aber dennoch 1918 eine Beteiligungsziffer des Kalisyndikats. Die Gewerkschaft musste nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Sitz aus dem neuentstandenen Polen nach Lehrte verlegen. Zeitgleich wurde sie in Ottoshall umbenannt. In den 1930er Jahren wurden Teile der Anlagen abgebaut und das Werk als Wetterschacht ausgebaut.

Nach dem zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Wintershall AG, die bereits 1930 die Mehrheit an den Gewerkschaften der Sauer-Gruppe übernommen hatte, die Produktion aus. Dies sollte den Verlust der Werke in der DDR kompensieren. Mit dem Durchschlag zwischen Hugo und Bergmannssegen 1947 wurde das Verbundwerk Bergmannssegen-Hugo geschaffen. Ab 1962 war Hugo der einzige Förderschacht. Ottoshall wurden 1963 als Wetterschacht ausgebaut sowie für den Transport sperriger Güter in die Grube eingerichtet. Erichssegen wurde von der Seilfahrt 1959 endgültig abgemeldet. 1970 wurde der Schacht zum reinen Wetterschacht umgebaut. Die Anlagen übertage wurden zwischen 1971 und 1973 abgebrochen bzw. verkauft.

Siegfried-Giesen

Die Werke Siegfried-Giesen, Fürstenhall und Rössing-Barnten, die später das Verbundwerk Siegfried-Giesen bildeten, stellen den ältesten Teil der Gumpel-Gruppe dar. Diese, vom Bankhaus Gumpel geführte Gruppe bestand aus Kaliwerken, die durch Eigentumsverhältnisse und insbesondere ab 1912 durch Hermann Gumpel als Geschäftsführer bzw. Repräsentant der einzelnen Gesellschaften eng miteinander verbunden waren.

Das Kaliwerk Siegfried-Giesen in Groß-Giesen wurde zwischen 1906 und 1909 abgeteuft. Zunächst lagen Gerechtssame, Verwaltung und Betrieb bei zwei GmbHs und einer Gewerkschaft, die Gumpel 1916 zur Gewerkschaft Siegfried-Giesen vereinigte. Fürstenhall in wurde zwischen 1908 und 1912 als Zweiter Schacht für Siegfried-Giesen in Ahrbergen abgeteuft; die Bergbaugesellschaft Rössing-Barnten m.b.H. teufte ihren Schacht von 1911 bis 1913 ab. Etwa ein Viertel der Anteile von Fürstenhall und Rössing-Barnten wurden von Siegfried-Giesen gehalten.

Früh wurden Interessensverträge zwischen den Gesellschaften geschlossen. Insbesondere wurde Rössing-Barnten an die Grubenbahn von Siegfried-Giesen angeschlossen und alle drei Werke gründeten gemeinsam die Elektrizitäts- und Salzaufbereitungswerke Hannover G.m.b.H., die je zu einem Drittel in den Händen der Gesellschaften lag. Sie betrieb auf dem Gelände des Werks Siegfried-Giesen ein E-Werk und eine Chlorkaliumfabrik. Zudem wurde 1928 der Hafen Harsum mit Anschluss an den Mittellandkanal eingeweiht.

Die Entwicklung zum Verbundwerk begann 1922. Fürstenhall, dass bereits zu Beginn des Ersten Weltkriegs wenige Monate nach Fertigstellung seinen Betrieb vorläufig einstellen musste, wurde endgültig stillgelegt. Nachdem im folgenden Jahr Rössing-Barnten mit Siegfried-Giesen durchschlägig wurde, ging auch dort die Förderung auf Siegfried-Giesen über. Rössing-Barnten diente nur noch als Wetterschacht. 1928 übernahm der Burbach-Konzern die Gumpel-Gruppe. Die einzelnen Gesellschaften wurden Liquidiert und das Verbundwerks Siegfried-Giesen geschaffen. Allerdings mussten die Werke in den frühen 1930ern wegen Absatzmangels vorübergehend stillgelegt werden. Fürstenhall wurde 1935 an den Fiskus verpachtet. Der Einsatz von Arbeitern zum Umbau des Werks in die Muna Ahrbergen behinderte den Betrieb des Verbundwerks. In den späten 1960ern wurden Fürstenhall und Rössing-Barnten zu reinen Wetter- und Materialschächten umgebaut, Rössing-Barnten 1971 nur zum Wetterschacht, die Seilfahrt lag nun allein beim Schacht Siegfried-Giesen. 1940 begann der Betrieb einer Bromfabrik, der allerdings noch im Krieg wieder eingestellt werden musste. 1960 wurde eine neue Bromfabrik gebaut.

Niedersachsen-Riedel

Zwischen 1905 und 1910 teufte die Kaliwerke Niedersachsen zu Wathlingen AG den Schacht des gleichnamigen Werks unter größeren geologischen Problemen ab. 1910 begann die Förderung, ein Jahr später wurde eine Chlorkaliumfabrik in Betrieb genommen. Im gleichen Jahr erlangte die Gewerkschaft Beienrode die Aktienmehrheit. Deren Mehrheit lag ab 1918 bei der Gewerkschaft Volkenroda, die 1921 von der Kaliwerke Krügershall AG, die mehrheitlich zum Burbach-Konzern gehörte, erworben wurde. 1928 wurde Niedersachsen vollständig auf den Burbach-Konzern übertragen.

Ab 1923 wurden die Werksanlagen ausgebaut und das Werk blieb bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Betrieb. Zur Erfüllung der Zweitschachtverordung hatte sich Niedersachsen mit der Gewerkschaft Riedel verständigt, die anfangs unabhängig von Niedersachsen war. Die Gewerkschaft lag Mehrheitlich bei den Mehrheitseignern der Alkaliwerke Ronnenberg und der Gewerkschaft Hildesia, die unter anderem die Thurn und Taxi'sche Verwaltung umfasste. Problemlos konnte zwischen 1906 und 1908 der Schacht abgeteuft werden, 1909 folgte der Syndikatsbeitritt. In den direkten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg konnte das Werk, dass ab 1914 auch Steinsalz förderte, beachtliche Gewinne einfahren.

Bereits 1917 gelangten über 90% der Kuxe an die Alkaliwerke Ronnenberg, die an die Kali-Industrie AG (Wintershall-Konzern) gingen. Über einen Kuxentausch gelangte Riedel in den Besitz des Burbach-Konzerns, der Niedersachsen und Riedel zu einem Verbundwerk ausbaute. Im Rahmen der Rationalisierung wurde 1926 die Förderung komplett auf dem Werk Niedersachsen vereinigt und die Fabrik Riedel stillgelegt. Riedel diente bis 1937 als Reservebergwerk und wurde dann an das Reich für die Errichtung der Muna Hänigsen verpachtet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte die Muna Hänigsen gesprengt werden. Da der Burbach-Konzern jedoch einen Ersatz für seine ehemaligen Werke in Mitteldeutschland suchte, konnte er die Rückgabe der Anlagen erreichen. Bei der Delaborierung der Muna ereignete sich am 18. Juni 1946 eine schwere Explosionskatastrophe mit über 80 Toten. Bereits 1950 nahm Burbach den Betrieb wieder auf. Riedel fokussierte sich auf Steinsalz, während Niedersachsen Kaliumsalze förderte.

Niedersächsische Werke der K+S AG

1955 führte der gewachsene Einfluss des Wintershall-Konzerns auf Burbach zum Abschluss eines Organvertrages, mit dem Wintershall endgültig die Kontrolle übernahm. Bei der Gründung der Kali+Salz GmbH (heute K+S AG), Kassel, 1970 durch die Fusion der Kalisparten von Wintershall und der Salzdethfurt AG ging auch Burbach in dem neuen Unternehme auf.

1981 verkaufte die Kali-Chemie AG die Anlagen des stillgelegten Werks Friedrichshall an Wintershall, die die Anlagen dem Werk Bergmannssegen-Hugo, die durchschlägig waren, zuordneten.

Im Zuge der Rationalisierung der Kaliproduktion in den 1980er und 90er Jahren wurden die Werke stillgelegt. Siegfried-Giesen 1987, Bergmanssegen-Hugo 1994 (nur Förderung, die Fabrik ist weiterhin in Betrieb) und Niedersachsen-Riedel 1996 stillgelegt.

Literatur

Emons, Hans-Heinz: Die Kaliindustrie. Geschichte eines deutschen Wirtschaftszweiges? In: SB LS 49 (2001), S. 5-73.

K+S AG (Hg): Bergmannssegen-Hugo. Ein traditionsreiches Werk im Großraum Hannover. URL: https://www.kpluss.com/de-de/ueber-ks/standorte/europa/bergmannssegen-hugo/ (letzter Zugriff: 20.04.2023).

K+S AG (Hg): Wachstum Erleben. Die Geschichte der K+S Gruppe 1856-2006. Kassel 2006.

Slotta, Rainer: Technische Denkmäler in der Bundesrepublik Deutschland 3. Bochum 1980.