Umfang | 12 lfd. m |
Laufzeit | 1879 - 1994 |
Findmittel | Datenbank; Findbuch, bearb. von Ulrich Eisenbach und Rainer Klink, 2002 |
Der Bestand wurde am 8. März 1996 von der Deutschen Vereinigten Schuhmaschinen GmbH & Co. als Depositum an das Hessische Wirtschaftsarchiv abgegeben. Mit der Liquidation des Unternehmens ist der Bestand gemäß § 6 des Depositalvertrags vom 14./15. Februar 1996 in den Besitz des Hessischen Wirtschaftsarchivs übergegangen.
Zum Zeitpunkt der Übergabe waren die Unterlagen zum größten Teil in einer Halle auf dem Betriebsgelände an der Berner Straße in Frankfurt-Bonames untergebracht. Ein kleiner Teil überwiegend älterer Akten sowie die Fotoalben und Unterlagen über Betriebsfeste und -ausflüge befanden sich in einem kleinen Archivraum im Bürogebäude. Ein Teil der Unterlagen sowohl in der Halle als auch im Bürogebäude war infolge des gerade abgeschlossenen Umzugs von Rödelheim nach Bonames noch in Umzugskartons verpackt. Die Akten trugen keine Archiv- oder Registratur-Signatur. Der Aktenplan, falls es einen gegeben hat, ließ sich nicht mehr rekonstruieren. Die Klassifikation der Unterlagen erfolgte deshalb nach den allgemeinen Kriterien einer Unternehmensregistratur.
Die Deutsche Vereinigte Schuhmaschinen GmbH (DVSG) wurde am 1. Oktober 1900 als Tochtergesellschaft der United Shoe Machinery Company (USM), Boston/Mass., gegründet. Sie bezog das Gebäude der ehemaligen Maschinen- und Werkzeugfabrik GmbH in der Heidestraße 56 in Frankfurt-Bornheim. Die Muttergesellschaft USM selbst war ein Jahr zuvor aus dem Zusammenschluss dreier bedeutender amerikanischer Unternehmen, der International Goodyear Shoe Machinery Co., der Consolidated Hand Method Lasting Machine Co. und der Stanley Manufacturing Co., entstanden. Hauptsächlicher Unternehmenszweck der DVSG war der Vertrieb von Schuhmaschinen und Schuhfurnituren in Deutschland, Österreich-Ungarn, Skandinavien, den Niederlanden und Russland. Als erstes Unternehmen auf dem Kontinent bot die DVSG Maschinen zur Schuhherstellung und -reparatur auf Mietbasis an. Die Schuhindustrie wurde damit in die Lage versetzt, ohne Einsatz eigener Kapitalien auf die neueste Technologie aus Amerika und Großbritannien zurückzugreifen. Dieses Mietsystem sah sich bald heftiger Angriffe seitens der bereits bestehenden Schuhmaschinenfabrikanten ausgesetzt. Vor allem die NS-Presse geißelte es als “Knebelung” der deutschen Schuhindustrie.
Auch wenn der Vertrieb zunächst noch im Vordergrund stand, so wurden doch von Beginn an auch Schuhmaschinen nach amerikanischem Vorbild hergestellt. Als der Betrieb in Frankfurt-Bornheim 1903 durch ein Feuer zerstört wurde, erwarb das Unternehmen in Rödelheim bei Frankfurt a.M. ein weitläufiges Gelände, um dort einen neuen, großzügigeren Produktionsbetrieb zu errichten. Am 1. November 1903 erfolgte die Inbetriebnahme. Die Zahl der Beschäftigten stieg von 41 im Gründungsjahr auf 300 im Jahr 1907 und mehr als 800 im Jahr 1912. Um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden, wurden bis 1925 zahlreiche Erweiterungen der Betriebsgebäude notwendig.
Im Jubiläumsjahr 1925 unterhielt die DVSG Niederlassungen in Berlin, Erfurt, Köln (bzw. Wermelskirchen), Pirmasens, ‘s-Hertogenbosch (Niederlande), Stuttgart und Weissenfels a.S., von denen nach 1945 lediglich die Geschäftsstelle in Pirmasens bestehen blieb. Dazu kamen Tochtergesellschaften in Österreich (Oesterreichische Vereinigte Schuhmaschinen GmbH, gegründet 1907 in Wien), in der Tschechoslowakei (S.F. Aussig a.d. Elbe, gegründet nach dem Ersten Weltkrieg, 1938 in eine Niederlassung umgewandelt) sowie in Rumänien (SARMI Societate anonima Romana pentru Masini si Instalatinui Industriale, gegründert 1935 in Bukarest).
Die Verwaltung der DVSG befand sich zunächst in einem Gebäude in der Mainzer Landstraße 147 in Frankfurt a.M. 1925 arbeiteten dort weit über 300 Angestellte und über 60 Monteure. 1935 waren auch hier die Kapazitäten erschöpft. Am Hohenzollernplatz in Frankfurt a.M. (heute: Platz der Republik, Friedrich-Ebert-Anlage) entstand deshalb 1936 eine neues Verwaltungsgebäude. Am 15. Juni 1942 musste es auf Grund des Reichsleistungsgesetzes für die Hauptverwaltung der Vereinigten Deutsche Metallwerke AG (VDM) - Luftfahrtsbetriebe - geräumt werden. Die DVSG erhielt Ersatzräume im Gebäude der Robert Bosch GmbH in der Moltke-Allee 47-53 in Frankfurt a.M. Schon eine Woche vorher, nach der Kriegserklärung an die USA am 27. Mai 1942, war die DVSG gemäß der Verordnung über die Behandlung feindlichen Vermögens vom 15. Januar 1940 der Verwaltung eines Treuhänders unterstellt. Sowohl die Fabrik in Rödelheim als auch das Verwaltungsgebäude wurden bei Luftangriffen schwer beschädigt.
Unmittelbar nach Kriegsende, am 31. Mai 1945, erhielt die DVSG als amerikanisches Unternehmen die Genehmigung zur Wiederaufnahme der Produktion. Bereits im Februar des folgenden Jahres zählte das Unternehmen wieder 430 Beschäftigte. In den ersten Nachkriegsjahren beschränkte sich die Tätigkeit auf die Instandsetzung beschädigter Schuhmaschinen und die Herstellung von Ersatzteilen. Die Neuproduktion von Maschinen begann 1949. Neben nachgebauten amerikanischen Modellen entstanden nach eigenen Konstruktionen Modelle für den deutschen Markt. Die Anstöße kamen vielfach von den Schuhfabriken, die für neue Schuhmoden geänderte Maschinen brauchten. Mehr als 150 unterschiedliche Schuhmaschinen waren zwischen 1960 und 1970, auf dem Höhepunkt der Nachfrage, lieferbar. Als um 1970 der Niedergang der deutschen Schuhindustrie einsetzte, verlor die DVSG wie alle anderen Schuhmaschinenfabriken fast ihren kompletten inländischen Absatzmarkt. Als eine der Großen der Branche konnte sie diesen Verlust zunächst durch eine Straffung des Produktionsprogramms und durch verstärkte Exporte ausgleichen. Die Zahl der Beschäftigten sank von nahezu 900 um 1965 auf nur noch 300 um 1980. Mitte der 1980er Jahre gab die DVSG ihre Büros in der Friedrich-Ebert-Anlage auf und legte die Verwaltung mit der Produktion in der Westerbachstraße in Frankfurt-Rödelheim zusammen.
1991 fusionierte die Muttergesellschaft der DVSG, die United Machinery Group Ltd., Leicester/England, mit der Texon GmbH, einem führenden Unternehmen auf dem Gebiet des Schuhmaterialien-Geschäfts, zur USM Texon Ltd. mit Sitz in Leicester. Die neue Konzernleitung beschloss, die Produktion und Entwicklung von Schuhmaschinen von Frankfurt a.M. zur Schwestergesellschaft BUSM in Leicester zu verlegen. Als teilweisen Ausgleich übernahm die DVSG den weltweiten Vertrieb von Ersatzteilen. Die weitläufige Fabrikanlage in Frankfurt-Rödelheim war damit überflüssig geworden. Im April 1994 übersiedelte das Unternehmen deshalb in die Berner Straße nach Frankfurt-Bonames. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 30. Oktober 1995 wurde die Gesellschaft in eine Kommanditgesellschaft unter der Firma Deutsche Vereinigte Schuhmaschinen GmbH & Co. umgewandelt. Am 29. Dezember 2000 schließlich, fast genau 100 Jahre nach ihrer Gründung, wurde beim Amtsgericht Frankfurt a.M. wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren über das Vermögen der DVSG eröffnet. Am 19. Januar 2001 erfolgte die Löschung aus dem Handelsregister.
25 Jahre DVSG 1900-1925. Jubiläumsfestschrift , Frankfurt a.M. 1925.
Franz Lerner, Frankfurt am Main und seine Wirtschaft. Wiederaufbau seit 1945, Frankfurt a.M. 1958, S. 235-238.
Franz B. Döpper, Frankfurt und seine alten Firmen, Au in der Hallertau 1991 (Deutsche Großstädte im Spiegel der Wirtschaftsgeschichte 8), S. 46-47.