Umfang | 3,5 lfd. m |
Laufzeit | 1901 - 1988 |
Findmittel | Datenbank; Findbuch “Kleinere Bestände, Bd. 1” |
Der Bestand kam 1996 bzw. 1998 als Depositum der Linotype-Hell AG, Eschborn, in das Hessische Wirtschaftsarchiv. Durch Kriegseinwirkungen und Umzüge innerhalb von Frankfurt ist die Überlieferung des Unternehmens stark gestört. Der erhaltene Bestand umfasst vornehmlich Revisions- und Treuhandberichte (1901-1935) und Protokolle von Generalversammlungen und Aufsichtsratssitzungen (1901-1936).
Die Aktenbände Nr. 88 und 89 sind zusammen mit dem Bestand “Verein der Schriftgießereien” ins Hessische Wirtschaftsarchiv gelangt und wurden ihrer Provenienz entsprechend nachträglich in den Bestand eingliedert.
Die historischen Maschinen des Unternehmens wurden befinden sich im Haus für Industriekultur in Darmstadt (Hessisches Landesmuseum).
Am 15. Januar 1895 gründete der Kaufmann David Stempel (1869 - 1927), der zuvor bei der Schriftgießerei Roos & Junge in Offenbach tätig gewesen war, in Sachsenhausen eine Schriftgießerei, die zunächst über lediglich zwei Maschinen und zwei Arbeitskräfte verfügte. Zunächst stellte das Unternehmen vor allem Füllmaterial her; nach dem Erwerb der Schriftgießerei Juxberg-Rust in Offenbach begann es jedoch 1897 mit dem Schnitt und Guss von Werk- und Auszeichnungsschriften. 1898 nahm Stempel seinen Schwager, den Ingenieur Wilhelm Cunz (1869 - 1951), und den Schriftgießereifaktor Peter Scondo (1854 - 1908) als Teilhaber in sein Unternehmen auf. Zur Gießerei kamen nun eine Stempelschneiderei, eine Maschinenfabrik für Spezialmaschinen und Hilfsapparate für die Schriftgießerei (1899), eine galvanoplastische Abteilung (1902), eine Schreinerei, eine Buchbinderei, eine Hausdruckerei und schließlich eine Messinglinienfabrik (1903) hinzu.
Bahnbrechend für diese Entwicklung war eine im Jahr 1900 von der Mergenthaler Setzmaschinenfabrik GmbH in Berlin erworbene Lizenz zur Herstellung von Matrizen für Linotype-Setz- und Gießmaschinen. 1901 führte das Unternehmen neben dem Handschnitt den mechanisierten Stempelschnitt ein. Für die Gestaltung der Schrifttypen konnten bedeutende zeitgenössische Künstler gewonnen werden. Im gleichen Jahr erfolgte die Änderung der Rechtsform von einer oHG in eine GmbH. Am 7. November 1905 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von einer Mio. Mark umgewandelt.
Die auch räumlich starke Ausdehnung der Firma erforderte den Neubau eines fünfgeschossigen Firmengebäudes in der Hedderichstraße, das 1910 bezogen und in den Jahren 1914 mehrfach stark erweitert wurde. Während David Stempel und Wilhelm Cunz in den Vorstand der Gesellschaft eintraten, übte Peter Scondo die Funktion eines Prokuristen aus.
Das Unternehmen expandierte in den folgenden Jahren stark. Zu den Neugründungen zählten die “Erste Ungarische Schriftgießerei AG” in Budapest (1914) sowie “Berthold & Stempel”, Wien (1927); hinzu kamen der Erwerb der “Schriftgießerei Roos & Junge” in Offenbach (1915), “Heinrich Hoffmeister” in Leipzig (1918), “Brötz & Glock” in Frankfurt a.M. (gemeinsam mit der Bauerschen Gießerei, 1919), der “Druckerei und Schriftgießerei Drugulin” in Leipzig (1919) sowie “Genzsch & Heyse”, Hamburg (gemeinsam mit der Bauerschen Gießerei, 1929). Darüber hinaus war 1917 eine Mehrheitsbeteiligung an der Schriftgießerei Gebr. Klingspor in Offenbach erworben worden.
Nach dem Tod des Firmengründers David Stempel im Jahr 1927 ging das Unternehmen an seinen Sohn Hans über, der seit 1924 im Unternehmen tätig war.
1941 ging die Aktienmehrheit an die Mergenthaler Setzmaschinenfabrik GmbH und damit an Linotype über. Die Luftangriffe auf Frankfurt a.M. im März 1944 verursachten auch auf dem Werksgelände der D. Stempel AG an der Hedderichstraße schwere Schäden. Die starke Nachfrage nach Drucklettern und Matrizen nach Kriegsende führte jedoch schon bald zu einem erneuten Aufschwung. Im Rahmen der Instandsetzungsarbeiten an den Gebäuden wurden die Fabrikationsanlagen erheblich erweitert und erneuert und das Geschäftsgebäude um weitere zwei Stockwerke erhöht.
1954 erwarb die D. Stempel AG die Mehrheit an der Haas’schen Schriftgießerei AG von der H. Berthold AG, 1956 die restlichen Anteile an der Gebr. Klingspor, Offenbach. Die Leitung des Unternehmens hatten zu diesem Zeitpunkt Hans G. Stempel (geb. 24.6.1900) und Walter H. Cunz (geb. 25.2.1902) inne.
Der Erfolg der Stempel AG hielt bis in die siebziger Jahre an, so dass die Firma in den 1960er Jahren etwa 1.500 Beschäftigte zählte und zeitweise 50% des inländischen Marktes kontrollierte. 1968 begann das Unternehmen mit der Schriftträgerfertigung für Fotosetzmaschinen.
1974 wurde die letzte Handsatzschrift und die letzte Universal-Schriftprobe produziert. 1977 begann die D. Stempel AG dann mit der Fertigung von Fotosetzgeräten, 1978 Übergabe der Schriftgussabteilung von Berthold & Stempel an Haas. Der Strukturwandel in der Druckindustrie führte bei dem Unternehmen jedoch zu starken Geschäftseinbußen, so dass 1983 die Fertigung von Linotype Matrizen eingestellt und 1984 die Tochter Klingspor verkauft werden musste. Schon kurz darauf wurde die Stempel AG von ihrem amerikanischen Konkurrenten Linotype übernommen. Obwohl das Unternehmen damals mit den verbliebenen 216 Beschäftigten jährlich noch 22 Millionen DM Umsatz machte, beschloss 1985 der Mehrheitseigner Linotype GmbH, Eschborn, die Auflösung des Unternehmens. 1986 wurde die Fertigung in Frankfurt a.M. eingestellt und die Maschinen und Matern in das “Haus der Industriekultur” in Darmstadt überführt. Der Vertrieb der Schriften erfolgt seither durch den “Schriftenservice D. Stempel GmbH”, Frankfurt a.M. bzw. die Linotype GmbH in Bad Homburg.
Das Firmengebäude wird heute (2002) vom Verlag S. Fischer genutzt.
Chronik der Schriftgießerei D. Stempel AG, Frankfurt a.M. Sechzig Jahre im Dienste der Lettern 1895 - 1955. Frankfurt a.M. 1954.
Schriftgießerei D. Stempel Aktien-Ges., in: Historisch- Biographische Blätter. “Der Regierungsbezirk Wiesbaden”.
Vom Schriftgießen. Porträt der Firma D. Stempel, Frankfurt am Main. Darmstadt 1987.