Umfang | 36 lfd. m |
Laufzeit | 1903 - 1995 |
Findmittel | Datenbank; Findbuch, bearb. von Yvonne Spura, 2003 |
Der Bestand gelangte 1993 als Depositum der Bostik GmbH an das Hessische Wirtschaftsarchiv und wurde 2001 - 2002 von Yvonne Spura verzeichnet.
Die Unterlagen umfassen den Zeitraum von 1903 bis 1995 und enthalten vor allem Unterlagen zur Produktentwickluung, Bauunterlagen sowie Geschäftsberichte, Bilanzen und Prüfungsberichte.
Im Dezember 1903 schlossen die amerikanischen Geschäftsleute John R. Stuart jr., D. Pike und Frank N. Stackpole, alle drei Aktionäre der in Boston/Massachusetts ansässigen amerikanischen Firma Boston Blacking Company, einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung des deutschen Tochterunternehmens Boston Blacking Company (BBC) in Oberursel, dessen Stammkapital auf 240.000 Mark festgesetzt wurde.
Noch vor der offziellen Gründung, am 3. Juli 1903, hatte der Prokurist Gardner für monatlich 650 Mark das Anwesen der ehemaligen Oberurseler Dampfwäscherei Frauenlob, das rund 10.800 qm Fläche, Wasser- und Heizanlagen, Dampfkessel und ein Mühlrad umfaßte, von Emil Cohen gepachtet. Das Unternehmen begann seine Produktion mit der Herstellung chemischer Artikel für die Schuhindustrie, wie Schuhcreme, Wachse, Oberflächenfinishe, Schuhfarben und -lacke, Klebstoffe, Repariermittel, vor allem aber Schuhschwärze, von der die Muttergesellschaft ihren Namen ableitete.
Nach Aufhebung der Zwangsverwaltung im Jahr 1919, die dem ausländischen Unternehmen während des Ersten Weltkrieges auferlegt worden war, konnte das bislang gemietete Gelände für 170.000 Mark erworben werden. Ein Jahr später wurde der dänische Staatsbürger und Prokurist Svend Jerntvedt zum Direktor der Firma ernannt, eine Position, die er mit Unterbrechungen bis 1953 innehatte. Er führte eine neue Produktpalette ein, mit der die Boston Blackening Company in den zwanziger Jahren auch die Automobilbranche als neuen Kunden gewann. Ein neu entwickelter Klebstoff bot erstmals die Möglichkeit, Gummiprofile mit Autoscheiben zu verkleben. Durch die Weiterentwicklung dieses Produkts konnten später auch Materialien wie beispielsweise Gummi mit Metall oder Filz verklebt werden. Am 23.12.1930 wurde der Name “Bostik”, den nahezu alle Produkte trugen, als Warenzeichen eingetragen.
Der stetige Aufwärtstrend des Unternehmens fand zu Beginn des Zweiten Weltkrieges durch weitgreifende Produktionseinschränkungen ein jähes Ende. Das als “kriegswirtschaftlich wichtig” eingestufte Unternehmen kehrte weitgehend zu dem ursprünglichen Produktionsprogramm zurück und widmete sich besonders der Reparatur und Behandlung von Schuhen und Soldatenstiefeln. Da sich das Kapital der Oberurseler Boston Blackening Company vollständig in Besitz der amerikanischen United Shoe Machinery Corporation befand, wurde der Direktor Svend Jerntvedt 1942 seines Amtes enthoben und durch den Zwangsverwalter Dr. Kurt Jerschke ersetzt, der diese Funktion bis 1945 ausübte.
Da das Werk von Kriegsschäden verschont blieb, konnte nach Kriegsende die Produktion relativ reibungslos wieder anlaufen. Zur Schuh- und Automobilindustrie gesellte sich Anfang der fünfziger Jahre als neuer Kunde die Baubranche, die mit hochwertigen profilierten und spritzbaren Dichtungsmaterialien beliefert wurde, die unter dem Markennamen “Prestik” vertrieben wurden. Diese dauerplastische synthetische Kittsubstanz wurde beispielsweise zur Verglasung des Frankfurter Hauptbahnhofs sowie des ersten Fernsehturms auf dem Feldberg oder des Frankfurter Zoos eingesetzt.
Eine bedeutende Unternehmenssparte blieben weiterhin die Klebstoffe, an deren Weiterentwicklung ständig gearbeitet wurde. Der erste synthetische Kautschukkleber auf Neoprenbasis für die Verklebung von Kunststoffen kam 1952 unter dem Namen “Bostik A 4” auf den Markt. Ende der fünfziger Jahre begann die Herstel-lung von Heißschmelzklebstoffen auf Polyester- und Polyamidbasis, die vornehm-lich von der Verpackungsindustrie zur Verklebung von Verpackungen sowie der Schuhindustrie zur Verklebung von Schuhoberteilen und -sohlen bezogen wurden.
1965 firmierte das Unternehmen nach seinem Markennamen in “Bostik GmbH” um. Diese Phase wurde von einer Umstrukturierung des Vertriebs begleitet. Von nun an vertrieb das Unternehmen nicht nur einzelne Produkte, sondern ganze Verfahrenstechniken, Systeme, Anwendungsgeräte und Applikationsmaschinen. Zusätzlich wurden nun auch auf dem sogenannten “Consumersektor” über Warenhäuser, Versandhandel, Autowerkstätten und Tankstellen Allzweckkleber, Antirostmittel und Unterbodenschutzmaterialien abgesetzt.
Ende 1988 fusionierte das Unternehmen, das seit 1980 zur Emhart Corporation, Farmington (Connecticut) gehörte, mit der Emhart-Tochter Tucker GmbH, Gießen, zur “Bostik-Tucker GmbH” mit Sitz in Gießen. Bereits im März 1990 wurde das Unternehmen an den französischen Total-Konzern veräußert.
Nachdem noch am 3.12.1993 eine Umfirmierung in “Bostik Oberursel GmbH” vorgenommen wurde, stellte Bostik zum 31. Dezember 1993 den Geschäftsbetrieb in Oberursel ein.