Umfang | 7,5 lfd. m |
Laufzeit | 1844 - 1994 |
Findmittel | Datenbank; Findbuch, bearb. von Ulrich Eisenbach |
Der Bestand, rund 25 lfd. m., gelangte im Juni 1994 und September 1996 in zwei Ablieferungen als Depositum der Carl Graeger GmbH Sektkellerei, Bingen, an das Hessische Wirtschaftsarchiv. Bei der ersten Ablieferung handelte es sich ausschließlich um Firmenakten, während die zweite Ablieferung hauptsächlich aus dem Privatnachlass von Emma Graeger bestand. Eine Ordnung oder Systematik war bei den Firmenakten, die ebenso wie der Nachlass von Emma Graeger auf einem Dachboden lagerten, nicht mehr zu erkennen.
Der Bestand wurde unter Mitwirkung von Rainer Maaß, Karl Murk und Katharina Schaal von Ulrich Eisenbach verzeichnet.
Die Familie Graeger stammt aus Nordhessen. In Orferode, heute Stadtteil von Bad Sooden-Allendorf, betrieb um 1700 Johann Nicolaus Graeger einen ausgedehnten Weinhandel. Im 19. Jahrhundert siedelten seine Nachkommen nach Berlin über, wo sie ebenfalls im Weinhandel tätig waren. Otto und Heinrich Graeger gründeten von Berlin aus eine Niederlassung in Hochheim a.M., erwarben dort Weinberge und begannen selbst mit der Weinherstellung. Mit der Leitung der Hochheimer Filiale betrauten sie ihren Bruder Carl Graeger, der nach einigen Jahren das Geschäft übernahm und 1877 in Hochheim a.M. eine Sektkellerei gründete.
Produziert wurde der Sekt zunächst in einem Haus am Rathausplatz. Das Geschäft hatte zunächst einen bescheidenen Umfang. Nach einigen Jahren aber stiegen die Produktionszahlen schnell an; Carl Graeger erwarb deshalb nach und nach mehrere Grundstücke an der Hauptstraße und legte die vorhandenen Gebäude nieder, um Platz für stattliche Neubauten und ausgedehnte Kellereien zu schaffen. Um dem steigenden Export nach Großbritannien gerecht zu werden, errichtete er 1888 in London eine Filiale. 1891 kaufte er das Weingut Chateau Sansonnet bei Metz mit einer Clairet-Kelterei. 1895 wurde das Weingut der Firma Bachem & Fanter, zu dem einige der besten Hochheimer Lagen gehörten, erworben. 1897 machten steigende Kapazitäten erneut umfangreiche Erweiterungen des Betriebs notwendig. Im Jahr darauf kam eine Kistenfabrik hinzu. 1898 gehört fast der ganze Komplex zwischen der Post und dem westlichen Ausgangstor von Hochheim, genannt “Meenzer Port”, der Graeger Sektkellerei. Unter dem Gelände befinden sich noch heute ausgedehnte Kellereien mit mehr als 3.500 qm Fläche. Die Flaschen wurden mit eigenem Fuhrpark zum Hochheimer Bahnhof und von dort per Bahn zu den Schiffsladestellen in Mainz befördert.
Die beiden Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg waren die Blütezeit der Sektkellerei Graeger. Zahlreiche Auszeichnungen auf Ausstellungen begründeten seinen Ruf als eine der besten deutschen Sektmarken. Nach dem Tod von Carl Graeger 1902 übernahm seine Witwe Ida Graeger das Geschäft und übergab es um 1910 ihrem Sohn Alexander.
Nach dem Ersten Weltkrieg erlitt die Sektkellerei Graeger erhebliche Absatzeinbußen. Sie verlor durch Konfiskation nicht nur Schloss und Weingut Sansonnet, sondern büßte, was für ein stark exportorientiertes Unternehmen viel erheblicher war, auch ihre Hauptexportmärkte in Großbritannien und den USA ein. In Deutschland konnte sie zwar ihren Absatz in absoluten Zahlen weitgehend stabil halte, doch auch hier verlor sie Marktanteile und konnte weder in den dreißiger noch in den fünfziger und sechziger Jahren des 20 Jahrhunderts vom steigenden Sektkonsum profitieren, auch wenn das Unternehmen in einem Firmenprospekt von 1937 noch selbstbewusst verkündet, auf “propagandistische Werbung” verzichten zu können.
Am 17. April 1970 starb Emma Graeger. Damit endete die Familienära von Graeger. Am 22. Dezember 1972 wurde nach den Bestimmungen ihres Testaments das bislang als Personengesellschaft geführte Unternehmen, das zu diesem Zeitpunkt noch rund 15 Beschäftigte zählte, in eine GmbH unter der Firma Carl Graeger GmbH Sektkellerei mit einem Grundkapital von 1 Mio. DM umgewandelt. Treuhänderischer Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter wurde als Testamentsvollstrecker von Emma Graeger der Diplom-Kaufmann Norbert Wächter. Er bestellte am 1. Januar 1973 Heinz Kilb zum Geschäftsführer. Aus der folgenden Periode wechselnder Besitzer sind vor allem Wolfgang Braun und Otto Geck hervorzuheben, die das Unternehmen zwischen 1980 und 1985 aus der Krise herausführten und der Marke Graeger neues Renommee verschafften. 1993 wurde die eigene Sektproduktion aufgegeben. Die Graeger-Marken werden seither in anderen Keltereien versektet. Otto Geck trat 1996 in den Ruhestand. Im Anschluss daran übernahm der Kaufmann Volker Valerius die Carl Graeger GmbH Sektkellerei und verlegte mit Wirkung vom 30. Mai 1997 den Sitz nach Bingen. Die Betriebsgebäude in Hochheim a.M. wurden aufgegeben und größtenteils abgerissen.
Historisch-biographische Blätter. Der Regierungsbezirk Wiesbaden, Bd. 1, V. Lieferung, 1908.
Hochheim am Main die schöne und berühmte Weinstadt, weltbekannt auch durch ihren Sekt. Überreicht durch Carl Graeger Sektkellerei Hochheim a.M. aus Anlaß des 60jährigen Bestehens, 1937