Abt. 103, Friedrichsdorfer Zwiebackfabrik Ferd. Stemler

Umfang 10,5 lfd. m
Laufzeit 1860 - 1976
Findmittel Datenbank; Findbuch, bearb. von Ulrich Eisenbach, 1995

Geschichte des Bestands

Der Bestand kam in zwei Ablieferungen 1992 und 1994 als Depositum von Frau Dorothee Roussselet in das Hessische Wirtschaftsarchiv. Die Akten lagerten bis dahin zum Teil in einem Raum des nicht mehr genutzen Fabrikgebäudes in der Wilhelmstraße, zum Teil im Souterrain des angrenzenden Wohnhauses der Familie Rousselet. Ihr Erhaltungszustand ist überwiegend zufriedenstellend. Lediglich die umfangreiche Kundenkartei, von der nur ein kleiner Teil übernommen werden konnte, befand sich in einem schlechten Erhaltungszustand. Die archivtechnische Aufbereitung erfolgte unter größtmöglicher Beibehaltung der ursprünglichen Akteneinheiten.

Ein kleiner Rest des Firmenarchivs, vor allem Bauakten, befindet sich noch im Besitz der Familie Rousselet. Über eine Abgabe an das Hessische Wirtschaftsarchiv soll zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Weitere Archivalien zur Geschichte der Zwiebackfabrik Stemler lagern im Stadtarchiv Friedrichsdorf.

Geschichte des Unternehmens

Nach der Familien- und Firmenüberlieferung ist die Zwiebackfabrik von Ferdinand Stemler die älteste ihrer Art in Friedrichsdorf. Als Firmengründer gilt der Bäcker Christoph Stemler, der 1788 nach einem Aufenthalt in den Niederlanden und auf holländischen Kriegsschiffen nach Friedrichsdorf zurückkehrte, um dort die Bäckerei seines Bruders Reinhold Stemler zu übernehmen. Wahrscheinlich noch im gleichen Jahr begann er mit der Herstellung von feinem Zwieback, den er in den holländischen Seestädten kennengelernt hatte. Das neue Produkt scheint in Friedrichsdorf gute Aufnahme gefunden zu haben. Jedenfalls hinterließ Christoph Stemler, als er 1831 starb, seinem Sohn Friedrich eine gutgehende und einträgliche Bäckerei. Friedrich Stemler seinerseits übergab das Geschäft 1859 seinen beiden Söhnen Ferdinand und August. Diese führten es zwar in gewohnter Weise und gewohntem Umfang als Handwerksbetrieb weiter, erschlossen sich aber bereits Absatzmöglichkeiten außerhalb Friedrichsdorfs, insbesondere in Frankfurt a.M. und den aufblühenden Kurstädten Homburg und Nauheim. Besonders Ferdinand Stemler, seit dem dem Tod seines Bruders 1884 Alleininhaber der Bäckerei, gelang es, sich die steigende Nachfrage zunutze zu machen. Da er kinderlos war, nahm er den Sohn seiner Schwester, Louis August Achard, in seinen Betrieb und übertrug ihm 1891 die Geschäftsführung.

Unter Louis August Achard vollzog sich der Wandel von der handwerklichen zur industriellen Produktion. 1897 gab er die beengte Bäckerei im Zentrum Friedrichsdorfs auf und bezog ein modernes Fabrikgebäude auf einem 12.000 qm großen Gelände an der Wilhelmstraße. Außerdem stellte er die Produktion von herkömmlichen Backwaren völlig ein, so daß er sich ausschließlich dem Zwiebackgeschäft widmen konnte. Am 26. Juni 1909 erfolgte die Eintragung des Unternehmens als offene Handelsgesellschaft unter der Firma Ferd. Stemler ins Handelsregister beim Amtsgericht Bad Homburg. Die Produktionspalette wurde allmählich erweitert. In den 1920er Jahren stellte Ferd. Stemler neben verschiedenen Zwiebacksorten auch Erzeugnisse wie Lebkuchen, Salzbrezeln und Kekse her.

Louis August Achard lenkte, zusammen mit seinem Bruder Clement, der für den kaufmännischen Bereich verantwortlich zeichnete, die Geschicke des Unternehmen bis zu seinem Tod im Jahre 1943. Danach übernahm seine Witwe Alice Achard geb. Rousselet als Alleininhaberin die Leitung. Mit ihrem Tod 1967 erlosch die Gesell-schaft. Ernst Alfred Rousselet führte das Unternehmen noch einige Jahre in der Rechtsform einer Einzelhandelsfirma weiter, bevor er seinen Betrieb an die neugegründete Firma Pauly-Ferd. Stemler & Co. GmbH KG verpachtete. Seit diesem Zeitpunkt ist sie nur noch als Vermögensverwaltung tätig.

Literatur

175 Jahre Stemler [Friedrichsdorf 1963].

Baeumerth, Angelika: 300 Jahre Friedrichsdorf 1687-1987. Aus der Geschichte der Hugenottenstadt im Taunus. Friedrichsdorf 1987.