Umfang | 373 lfd. m |
Laufzeit | 1745 - 1990 |
Findmittel | Datenbank; Findbuch, bearb. von Ulrich Eisenbach, 2004 |
Der Altaktenbestand der Handelskammer Frankfurt am Main bis zum Jahr 1927 befindet sich zum weitaus größten Teil als Depositum des Hessischen Hauptstaatsarchivs im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M. und ist zwischen 1954 und 1967 von Archivinspektor Walter Haubrich verzeichnet worden (Findbuch B 158 III).
Die neueren Archivalien bis etwa 1970, in Einzelfällen auch bis 1992, hat die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main zwischen 1995 und 2002 in mehreren Ablieferungen als Depositum an das Hessische Wirtschaftsarchiv in Darmstadt abgegeben.
Der Bestand 3 (IHK Frankfurt am Main) des Hessischen Wirtschaftsarchivs umfasst somit hauptsächlich die Sachakten der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main aus dem Zeitraum 1945 bis 1975. Nur einige wenige Archivalien reichen weiter zurück. Es handelt sich dabei um Vorgänge, die die interne Verwaltung und Rechtsstellung der Kammer betreffen und deshalb bei der 1943 erfolgten Abgabe an das damalige Preußische Landesarchiv und heutige Hessische Hauptstaatsarchiv Wiesbaden zurückgehalten worden sind. Hinzuweisen ist auf die Protokoll- und Rechnungsbücher der Börsenvorsteher aus dem 18. Jahrhundert, auf Akten und Pläne zum Bau, Umbau und Ausbau des Kammergebäudes am Börsenplatz 1875 bis 1927, auf die Protokollbücher der Kammer seit 1827 sowie auf einige wenige Personalakten und andere offenbar eher zufällig erhalten gebliebene Unterlagen aus den 1920er Jahren.Akten aus der NS-Zeit fehlen fast vollständig. Vermutlich sind sie bei der teilweisen Zerstörung des Kammergebäudes durch Luftangriffe 1944 vernichtet worden.
Die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main besaß keine zentrale Registratur, sondern überließ die Verwaltung der Akten den jeweiligen Abteilungen. Dort ist es in den zurückliegenden Jahrzehnten offenbar mehrfach zu unsachgemäßen Aussonderungen gekommen, die die unterschiedliche Dichte in der Überlieferung der einzelnen Abteilungen erklären. Einzelne Akten, insbesondere aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, sind von den Mitarbeiterinnen der Kammerbibliothek vor der Vernichtung bewahrt und dem Hessischen Wirtschaftsarchiv zum Teil als Einzelblätter, zum Teil als neu zusammengestellte Einheiten übergeben worden.
Die Organisation und Selbstverwaltung der Frankfurter Kaufmannschaft hat ihren Ursprung in den Versammlungen einheimischer und fremder Kaufleute, die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts während der Messen zusammenkamen, um die getätigten Geschäfte zu skondieren und bald auch schon die Kurse der verschiedenen Münzsorten festzusetzen. Aus diesen Treffen entwickelten sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts regelmäßige Börsenversammlungen, an denen die Frankfurter Großkaufleute teilnahmen, die sich mit Bank- und vor allem Wechselgeschäften beschäftigten. Ergab sich die Notwendigkeit, mit dem Rat oder den städtischen Behörden in Kontakt zu treten, so wählten sie von Fall zu Fall Deputierte oder einen Ausschuss, der spätestens zu Beginn des 18. Jahrhunderts zugleich als Börsenverwaltungsorgan fungierte. Im Dezember 1706 richteten 61 lutherische und reformierte Kaufleute aus diesem Kreis eine Eingabe an den Rat, in der sie sich über die “unbillige” Konkurrenz von Beisassen beklagten, die vor allem das Speditions- und Kommissionsgeschäft an sich zogen. Für die Verhandlungen mit dem Rat wählten sie am 29. Dezember 1706 einen Ausschuss von acht Personen, der sich zu Beginn des folgenden Jahres konstituierte. 1713 tritt uns dieses Gremium in den Akten erstmals als “Deputierte der Kaufmannschaft” entgegen. Daneben finden sich auch die Bezeichnungen “Vorsteher der Kaufmannschaft”, “Deputierte und Vorsteher der Kaufmannschaft” und “Handlungsdeputierte” sowie “Deputierte der Beurs und Kaufmannschaft”, “Handlungs- und Börsenvorsteher” oder “Börsenvorsteher und Deputierte des Handelsstandes”, die die doppelte Eigenschaft des Gremiums als offizielle Vertretung der Frankfurter Kaufmannschaft und Börsenverwaltungsorgan zum Ausdruck bringen. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts setzte sich die Bezeichnung “Börsenvorsteher” durch.
Wichtigste Aufgabe der Börsenvorsteher war die Erstattung von Gutachten über Handelsbräuche, zu denen später immer häufiger auch gutachterliche Stellungnahmen zu Münz-, Zoll- und Verkehrsfragen kamen. Eine gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit dieses Gremiums hat es nie gegeben. Vielmehr bildeten sich im Laufe der Jahre einige gewohnheitsrechtliche Arbeitsgrundlagen heraus. Die Zahl der Mitglieder blieb auf acht Personen begrenzt. Sie waren auf Lebenszeit gewählt und gehörten je zur Hälfte der lutherischen und der reformierten Konfession an. Verstarb ein Mitglied, so bestimmten die verbliebenen Deputierten einen Nachfolger. Als Versammlungslokal diente das Haus Braunfels, in dem sich auch das Börsenlokal befand.
1806 verlor die Reichsstadt Frankfurt a.M. ihre Selbständigkeit und ging in dem neu geschaffenen Fürsten- bzw. Großherzogtum Frankfurt auf, das Napoleon dem früheren Kurfürsten von Mainz, Fürstprimas Carl von Dalberg, übertrug. Auf Anregung und Drängen der Börsenvorsteher dekretierte Carl von Dalberg am 27. April 1808 die Errichtung einer Handelskammer für die Stadt Frankfurt am Main. Den fürstlichen Generalkommissar Graf von Beust (ab 1810 großherzoglicher Finanzminister) bestimmte er zum Präsidenten, allerdings ohne Stimmrecht bei den Beratungen. Bei dessen Abwesenheit sollte der fürstliche “Conkommissarius” Freiherr von Eberstein das Präsidium übernehmen. Außerdem bestimmte Carl von Dalberg den bisherigen Börsenvorsteher Johann Gerhard Hofmann zum Spiegel und Kommerzienrat Joseph Cleynmann zu Mitgliedern der Handelskammer. Die übrigen Mitglieder, neun an der Zahl, wurden am 7. Mai 1808 von einem 40 Personen umfassenden Wahlmännergremium gewählt, das auf Vorschlag der Börsenvorsteher von der Regierung berufen worden war. Die Bestätigung der Wahl durch Fürstprimas von Dalberg erfolgte am 18. Mai 1808.
Die Handelskammer Frankfurt war, wie ihr französisches Vorbild, die “chambre de commerce”, eine rein beratende Korporation. Ihre Aufgaben beschreibt das Gründungsdekret wie folgt:
Am 23. Mai 1808 fand unter Vorsitz des Freiherrn von Eberstein die konstituierende Sitzung der Handelskammer Frankfurt am Main statt. Sie fasste den Beschluss, dass das jeweils dienstälteste Mitglied (Senior) den Vorsitz übernehmen und die Geschäfte führen sollte. Es wurden drei Sektionen gebildet, und zwar für Handelsrecht, Schifffahrt und Zölle sowie Börsenwesen. Das Gremium der Börsenvorsteher galt mit sofortiger Wirkung als aufgelöst, sein Vermögen ging auf die Handelskammer über. Als Einnahmequelle standen der Handelskammer darüber hinaus lediglich freiwillige Beiträge und eine geringe Abgabe auf die direkte Schifffahrt von Köln nach Frankfurt a.M. zu. Sie reichten weder aus, um einen Sekretär zu beschäftigen noch um ein Geschäftslokal anzumieten. In der Regel fanden die Sitzungen deshalb im Haus des jeweiligen Seniors statt.
Die Frankfurter Handelskammer, deren Zuständigkeit sich auf das Gebiet der Stadt beschränkte, führte die offizielle Bezeichnung “Fürstlich Primatische Handelskammer” (ab 1810: Großherzogliche Handelskammer). Ein Handelskammergesetz oder eine Handelskammerverordnung existierte nicht. Vielmehr existierte eine Fülle von oft nicht ganz im Einklang miteinander stehenden Verfügungen und mündlichen Anweisungen des Fürsten, die immer wieder Anlass zu Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen mit der fürstlichen Generalkommission und dem Rechneiamt der Stadt Frankfurt a.M. gaben.
Im September 1813 trat Fürstprimas Carl von Dalberg als Großherzog zurück und die Stadt Frankfurt a.M. erhielt wieder ihre Selbständigkeit. Die Handelskammer bestand zunächst noch unter dem Namen “Handelskammer der freien Stadt Frankfurt” eine Zeit lang unverändert fort, bevor der Rat der Stadt Frankfurt a.M. in seiner Sitzung vom 20. Juni 1815 die Umbenennung in “Handlungsvorstand” beschloss. Es folgte eine zwei Jahre andauernde Auseinandersetzung zwischen der Kaufmannschaft, dem Rechneiamt und dem Rat der Stadt Frankfurt a.M. um die Rechtsstellung dieser Vertretung des Handels, die mit der Rückkehr zur alten Bezeichnung “Handelskammer der freien Stadt Frankfurt” und der “Verordnung [des Großen Rats] über die Organisation der Handels-Kammer der freien Stadt Frankfurt” vom 20. Mai 1817 endete, die für mehr als 50 Jahre die Grundlage für die Arbeit der Handelskammer bildete.
Im Einzelnen bestimmte diese Verordnung:
§ 1 Die Handelskammer vertritt das Interesse des hiesigen Handelsstandes, und ist dessen Organ. Ihr Beruf im allgemeinen ist, unter obrigkeitlicher Autorität für die Erhaltung und das Emporkommen des hiesigen Handels Sorge zu tragen, und dasjenige abzuwenden, was dem Einen oder dem An-dern hinderlich seyn kann.Die konfessionelle Beschränkung der Kammermitgliedschaft auf die drei christlichen Konfessionen entfiel erst am 12. September 1853 mit dem “Organischen Gesetz [der Freien Stadt Frankfurt], die Erweiterung der staatsbürgerlichen Rechte der Landbewohner und Israeliten betreffend”.
Nach der Annexion Frankfurts durch Preußen 1866 drängte die Regierung in Berlin auf eine einheitliche Regelung des Handelskammerwesens im gesamten Königreich. Das Ergebnis war das preußische Handelskammergesetz vom 24. Februar 1870 und der darauf Bezug nehmende Ausführungserlaß des preußischen Handelsministers von Itzenplitz vom 19. Dezember 1870 “betr. die Reorganisation der in der Provinz Hessen-Nassau bestehenden Handelskammern”. Zwei wesentliche Veränderung gegenüber der Verordnung von 1817 fallen ins Auge. Zum einen wurden von nun an die 20 Mitglieder (bei dieser Zahl blieb es zunächst) von allen Kaufleuten und Unternehmen, die zu mindestens 24 Taler an Gewerbesteuer veranlagt wurden, in geheimer und freier Wahl bestimmt. Zum zweiten griff der Kammerbezirk nun erstmals über das eigentliche Stadtgebiet hinaus und schloss die noch selbständige Stadt Bockenheim und die Gemeindebezirke Bonames und Bornheim mit ein, die zusammen eines der 20 Mitglieder stellten.
Durch “Erlaß betreffend die Organisation der Handelskammern zu Frankfurt a.M. und Wiesbaden” vom 12. September 1883 erfuhr der Handelskammerbezirk eine weitere Ausweitung. Hinzu kamen vom Obertaunuskreis das Amt Homburg v.d.H. (das seit 1873 zum Kammerbezirk Wiesbaden gehört hatte), die Gemeinden Königstein, Kronberg und Oberursel vom Landkreis Frankfurt a.M., die Gemeinden Rödelheim und Griesheim sowie die Gemeinde Hausen.
Als 1885 die preußischen Verwaltungskreise neu gestaltet wurden, führte dies 1890 erneut zu einer Veränderung der Kammergrenzen. Der Handelskammerbezirk Frankfurt am Main erstreckte sich nun gemäß eines Erlasses des preußischen Handelsministers vom 31. Januar 1890 auf den Stadtkreis Frankfurt a.M., den Landkreis Frankfurt a.M. und den gesamten Obertaunuskreis. Griesheim im Kreis Höchst a.M. dagegen, das bislang zum Kammerbezirk Frankfurt am Main gehört hatte, wurde dem Kammerbezirk Wiesbaden zugeschlagen.
1897 brachte die Novelle zum preußischen Handelskammergesetz eine gesetzliche Festlegung der Staatsaufsicht, die nicht über die heute maßgeblichen Gesetze der Rechtsaufsicht hinausging und den Handelskammern eine weitestgehende Unabhängigkeit brachte. Die Handelskammer Frankfurt am Main arbeitete auf der Grundlage dieser Novelle ein neues Wahlstatut aus, das auf jeden Zensus verzichtete und die Mitglieder in drei Wählergruppen, nämlich “Großhandel und Industrie”, “Bank- und Börsengeschäft” und “Detailhandel” einteilte. Gemäß der wirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Gruppen (gemessen an der Gewerbesteuersumme) konnte die 1. Gruppe zehn, die 2. Gruppe acht und die dritte vier Mitglieder wählen. Dazu kamen je zwei Mitglieder, die von den beiden Außenbezirken (Landkreis Frankfurt und Obertaunuskreis) entsandt wurden.
1917 wurde der Handelskammer Frankfurt am Main die Landesstelle Hechingen-Sigmaringen angegliedert. Diese preußische Enklave im Königreich Württemberg hatte bislang noch keine eigene Handelskammer. Sie entsandte vier Vertreter in die Frankfurter Vollversammlung. Am 17. November 1919 beschlossen die Handelskammern Frankfurt am Main und Hanau (zu der auch der Bezirk der heutigen IHK Fulda gehörte) die Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft unter dem Namen “Vereinigte Handelskammern Frankfurt a.M.-Hanau”. Die beiden Kammern kamen überein, Angelegenheiten lokaler Natur weiterhin eigenständig zu behandeln, Vorgänge von überregionaler Bedeutung aber oder Probleme, die beide Kammerbezirke betrafen, einer gemeinsamen Hauptgeschäftsführung zu übertragen. Die endgültige Verschmelzung beider Kammern erfolgte zum 1. April 1922, wobei die Geschäftsstellen Hanau und Fulda als besondere Geschäftsstellen bestehen blieben. Der Name wurde - um der wachsenden Bedeutung der Industrie im Wirtschaftsleben Rechnung zu tragen - mit Wirkung vom 1. April 1924, wie überall in Preußen, in “Industrie- und Handelskammer Frankfurt a.M.-Hanau” umgewandelt. Die gleiche Verordnung räumte den preußischen Industrie- und Handelskammern die Möglichkeit ein, mit benachbarten Kammern Zweckverbände einzugehen.
Noch im gleichen Jahr, am 17. Juli, machte die Industrie- und Handelskammer Frankfurt a.M.-Hanau von dieser Möglichkeit Gebrauch und schloss sich mit den Industrie- und Handelskammern Dillenburg und Wetzlar unter der Bezeichnung “Verband Hessen-Nassauischer Industrie- und Handelskammern” zu einem Zweckverband zusammen. Vorort war Frankfurt a.M. Am 5. Januar 1925 bzw. 25. Mai 1928 schlossen sich auch die Industrie- und Handelskammern Limburg und Wiesbaden diesem Zweckverband an. Mit dem Beitritt von Wiesbaden 1928 war eine Neuaufteilung der Kammerbezirke verknüpft, deren Notwendigkeit sich daraus ergab, dass eine Reihe westlicher Vorortgemeinden inzwischen nach Frankfurt a.M. eingemeindet worden waren. Die bisher zum Kammerbezirk Wiesbaden gehörigen Gemeinden Höchst a.M., Griesheim, Nied, Sossenheim und Schwanheim sowie die Gemeinden Okriftel und Hattersheim aus dem Main-Taunus-Kreis kamen so zum Kammerbezirk Frankfurt a.M.-Hanau.
Am 1. Januar 1931 vereinigte sich die Industrie- und Handelskammer Frankfurt a.M.-Hanau mit der Industrie- und Handelskammer Wetzlar. Damit erreichte der Bezirk der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main zugleich seine größte Ausdehnung. Er bestand aus folgenden Gebieten:
Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 verloren die Industrie- und Handelskammern ihre Funktion als zwar der Staatsaufsicht unterstehende, aber dennoch weitgehend unabhängige Interessensvertretungen der regionalen Wirtschaft. Sie verwandelten sich in ein staatliches Organ, das sukzessive seine Selbständigkeit aufgeben musste und insbesondere seit 1939 fast ausschließlich mit der Organisation der Kriegswirtschaft betraut wurde. Eine Verordnung vom 27. August 1939 regelte die Übertragung staatlicher Aufgaben als Auftragsangelegenheiten an die Industrie- und Handelskammern und wies ihnen mit entsprechenden Durchführungsverordnungen die Sicherstellung der Produktionsfähigkeit der kriegswirtschaftlich wichtigen Industriebetriebe, der unentbehrlichen Verkehrs-, Kredit- und Versicherungsbetriebe sowie der Energieversorgung und darüber hinaus die Mitwirkung bei der Rohstoff- und Halbwarenbewirtschaftung zu.
Am 31. März 1933 trat das Präsidium der Industrie- und Handelskammer Frankfurt a.M.-Hanau geschlossen zurück. Die kommissarische Leitung übernahmen vorübergehend bis zur “Wahl” von Carl Lüer zum Präsidenten im September zwei Mitglieder der NSDAP. Der neue Aufbau der Kammerorganisation folgte dem “Führerprinzip”. Für die Wahl des Präsidenten war nun nicht mehr das Votum der Mitglieder, sondern der Wille des Gauleiters entscheidend.
Am 28. April 1933 wurden die Industrie- und Handelskammern Limburg und Wiesbaden der Frankfurter Kammer angegliedert, die nun als Preußische Industrie- und Handelskammer für das Rhein-Mainische Wirtschaftsgebiet, Sitz Frankfurt a.M., firmierte. Bezirksstellen bestanden in Wiesbaden, Hanau, Fulda und Limburg. Sie hatten eigene Rechtspersönlichkeit und konnten über ihr Vermögen selbständig verfügen. Auch waren sie berechtigt, in Angelegenheiten, die ausschließlich ihren Bezirk betrafen, eigenständig Beschlüsse zu fassen. Der Zweckverband der Hessen-Nassauischen Industrie- und Handelskammern wurde aufgelöst. An seine Stelle trat der Rhein-Mainische Industrie- und Handelstag, dem auch die hessischen Industrie- und Handelskammern Bingen, Darmstadt, Friedberg, Gießen, Mainz, Offenbach a.M. und Worms angehörten. Dieser wiederum wurde im März 1935 im Zuge der einheitlichen Neuordnung und des “ständischen Aufbaus” der Wirtschaft durch die Wirtschaftskammer Hessen abgelöst. Die Wirtschaftskammer Hessen war die gemeinsame Vertretung der in ihrem Bezirk vorhandenen fachlichen Gliederungen der Organsiation der gewerblichen Wirtschaft, der Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern und der Organisation des Verkehrsgewerbes. Ihr Bezirk umfasste das Land Hessen und die preußische Provinz Hessen-Nassau (ohne die Kreise Biedenkopf, Dillenburg und die Herrschaft Schmalkalden sowie einige Gemeinden des Kreises St. Goarshausen). Geschäftsstelle der Wirtschaftskammer war die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main.
Am Ende der Gleichschaltungsmaßnahmen der Nationalsozialisten stand am 1. Januar 1943 die Auflösung der Industrie- und Handelskammer für das Rhein-Mainische Wirtschaftsgebiet und der Wirtschaftskammer Hessen. An ihre Stelle trat die Gauwirtschaftskammer Rhein-Main, die hinsichtlich ihrer Funktion gewisse Übereinstimmungen mit der Wirtschaftskammer aufwies, die aber nichts mehr mit den früheren Industrie- und Handelskammern verband. In § 2 der Satzung der Gauwirtschaftskammer heißt es über deren Aufgaben: Die Gauwirtschaftskammer vertritt die Wirtschaft ihres Bezirks und die Träger der gebietlichen Gemeinschaftsarbeit. Sie hat für eine einheitliche Lenkung und Ausrichtung der bezirklichen Wirtschaft Sorge zu tragen. Die Kammer hat in eigener Verantwortung die Gesamtbelange der Wirtschaft ihres Bezirks wahrzunehmen und zu fördern sowie die wirtschaftlichen Interessen auszugleichen. Sie hat die ihr durch Gesetz, Verordnung oder durch Erlaß des Reichswirtschaftsministers übertragenen staatlichen Aufgaben durchzuführen. Sie hat die Aufgabe, die selbstverantwortliche Gemeinschaftsarbeit der Wirtschaft zu fördern und damit der Volksgemeinschaft zu dienen. Bei der Betreuung der Wirtschaft hat die Kammer den Staat in seiner Wirtschaftsführung zu unterstützen und dem Gauleiter bei der Durchführung seiner Aufgaben zur Verfügung zu stehen. Die Gauwirtschaftskammer war somit in erster Linie Trägerin staatlicher Funktionen. Das ergab sich aus der Bindung an den Gauleiter, aber auch aus der Tatsache, dass ihr Aufgaben übertragen wurden, die bislang von den staatlichen Landeswirtschaftsämtern wahrgenommen worden waren.
Der Bezirk der Gauwirtschaftskammer Rhein-Main war im wesentlichen mit dem Gebiet des NS-Gaues Hessen-Nassau identisch. Anders als bei der Wirtschaftskammer Hessen gehörte das kurhessische Gebiet (inklusive Fulda, das der Gauwirtschaftskammer Kurhessen zugeschlagen worden war) nicht dazu. Die Landesstelle Hechingen der Frankfurter Kammer wurde der Gauwirtschaftskammer Württemberg-Hohenzollern zugeteilt und kam 1945 zur Industrie- und Handelskammer Ravensburg.
Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes lösten die Besatzungsmächte die nationalsozialistischen Wirtschaftsorganisation auf. Bereits Ende April 1945 nahm die neu gegründete “Industrie-, Handels- und Handwerkskammer Frankfurt am Main” auf unsicherer Rechtsgrundlage, die zunächst lediglich aus der Einwilligung der amerikanischen Militärregierung bestand, ihre Arbeit wieder auf. Die Vereinigung der Industrie- und Handelskammer mit der Handwerkskammer, die in ihrer Bezeichnung zum Ausdruck kommt und ein Relikt aus den Zeiten der Gauwirtschaftskammer darstellte, wurde durch Ministerialbeschluss vom 1. April 1946 aufgehoben. Da nicht nur die Gauwirtschaftskammer Rhein-Main, sondern auch die seit 1919 stattgefundenen bzw. verordneten Zusammenschlüsse der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main mit den anderen nassauischen Industrie- und Handelskammern aufgehoben worden waren, mussten die Kammerbezirke neu definiert werden. Die 1945 festgelegten Grenzen besitzen noch heute (abgesehen von Bergen-Enkheim, das nach der Eingemeindung nach Frankfurt a.M. 1977 vom Kammerbezirk Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern hinzukam) Gültigkeit. Danach besteht der Kammerbezirk Frankfurt am Main aus der Stadt Frankfurt a.M., dem Obertaunuskreis, dem Kreis Usingen und dem Main-Taunus-Kreis (mit Ausnahme der Stadt Hochheim a.M.).
Die Rechtsgrundlagen für die Arbeit der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main war mit der faktischen Auflösung der Gauwirtschaftskammer Rhein-Main entfallen. Ihre Tätigkeit basierte somit anfangs allein auf den Anordnungen alliierter und regionaler deutscher Dienststellen, die verständlicherweise die rechtlichen For-men vernachlässigten und allein am praktischen Erfolg ihres Vorgehens interessiert waren. So waren der Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main Dr. Alfred Petersen und seine fünf Stellvertreter nicht etwa gewählt, sondern von der amerikanischen Militärregierung eingesetzt worden. Erst mit Beginn des Jahres 1946 bahnte sich eine gewisse Vereinheitlichung des Kammerrechts in der amerikanischen Zone an. Am 10. Januar 1946 verkündete das großherzogliche Staatsministerium die offizielle Auflösung der Gauwirtschaftskammern. Die Industrie- und Handelskammern erhielten die Funktionen zurück, die sie vor Erlaß der Gauwirtschaftskammerverordnung vom 20. April 1942 ausgeübt hatten. Bis zur gesetzlichen Neuregelung des Handelskammerwesens unterstanden sie der Dienstaufsicht des hessischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr.
Sehr bald kristallisierte sich heraus, dass die deutschen und amerikanischen Vorstellungen von den Aufgaben und der Rechtsstellung einer Industrie- und Handelskammer weit auseinanderklafften. Im Mai 1946 untersagte das großhessische Staatsministerium auf Anweisung der amerikanischen Militärregierung den hessischen Kammern bis auf weiteres die Ausübung jedweder öffentlicher Funktion. Einen Monat später ergingen dazu detaillierte Ausführungsrichtlinien, die die Industrie- und Handelskammern zu freien Vereinigungen von Gewerbetreibenden mit freiwilliger Mitgliedschaft erklärten. Die Kammern verloren ihren halbamtlichen Charakter und sahen sich hinsichtlich ihres Aufgabengebietes ganz auf beratende Tätigkeiten beschränkt. Am 25. November schließlich erhielten die Kammern die Mitteilung, dass die Pflichtmitgliedschaft endgültig zum 31. Dezember ende und die Mitgliedsunternehmen umgehend darüber zu informieren seien.
All diese verstreuten Bestimmungen fanden Eingang in den Runderlass des hessischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr vom 5. Dezember 1946, der die Umorganisation der Industrie- und Handelskammern abschloss und ihnen eine neue gesetzliche Grundlage gab. Die zwölf hessischen Industrie- und Handelskammern, die sich inzwischen gebildet hatten, wurden zwar anerkannt, verloren aber ihren Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften, verbunden mit einer Pflichtmitgliedschaft für alle Gewerbetreibenden des Bezirks. Die Mitglieder waren aufgefordert, in freier, geheimer und gleicher Wahl einen Beirat (Vollversammlung) zu wählen, der aus seiner Mitte den Präsidenten und seine Stellvertreter bestimmte. Am 31. Dezember 1946 verabschiedete die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main ihre neue Satzung und am 29./30. April 1947 fanden die ersten freien Beiratswahlen seit 1932 statt.
Am 16. November 1956 verabschiedete der Deutsche Bundestag gegen die Stimmen der SPD-Opposition und gegen den Widerstand des Landes Hessen im Bundesrat das Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern, das am 18. Dezember des gleichen Jahres in Kraft trat. Damit erhielten die zwölf hessischen Industrie- und Handelskammern ihren Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften zurück, nachdem dies in anderen Bundesländern aufgrund der jeweiligen Landesgesetzgebung längst geschehen war. Aufgaben, Zuständigkeit und innere Organisation waren mit den bis 1933 gültigen Bestimmungen weitgehend identisch. In § 1 heißt es dazu:
Allerdings gab es auch einige gravierende Änderungen gegenüber dem Status von 1932. So bestimmte das Gesetz ausdrücklich, daß die Wahrnehmung sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Interessen nicht zu den Aufgaben der Industrie- und Handelskammern gehörten. Dadurch wollte der Gesetzgeber eventuellen juristischen Einwänden seitens der Gewerkschaften die Spitze nehmen. Den gleichen Zweck verfolgte die Vorschrift zur Bildung paritätisch mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern besetzten Ausschüssen für Fragen der Berufsbildung bei den Industrie- und Handelskammern, die der gewerkschaftlichen Forderung nach überbetrieblicher Mitbestimmung in diesem wichtigen Bereich Rechnung trug. Die Aufsicht der Bundesländer über die Industrie- und Handelskammern erfuhr insofern eine Lockerung, als sie sich lediglich auf die Einhaltung der bestehenden Rechtsvorschriften bezog. Schließlich schrieb das Gesetz die Pflichtmitgliedschaft auch für Kleingewerbetreibende vor. Dies ermöglichte den Kammern, ihre oft einseitige Fixierung auf Großhandel und Industrie, die ihnen in der Vergangenheit anhaftete, abzustreifen und erleichterte es ihnen, das viel zitierte wirtschaftliche Gesamtinteresse ihres Bezirks wahrzunehmen.
Im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens besaß die Handelskammer Frankfurt am Main noch keine eigenen Räumlichkeiten. Die Sitzungen fanden entweder im Thurn- und Taxis’schen Palais oder, häufiger, in der Wohnung des Seniors statt. Der Senior war es auch, der das Archiv verwahrte. 1817 wollte man dem Handelskammersenior Noë du Fay diese Belästigung nicht mehr zumuten und mietete im Haus der Familie von Malapert de Neufville im Kleinen Hirschgraben vier Räume an, in denen die Sitzungen abgehalten wurden und das Archiv Platz fand.
Als im Juni 1834 dieses Gebäude verkauft wurde, mietete die Handelskammer drei Räume im Hauck-Steeg’schen Haus am Roßmarkt. Darin blieb sie bis zur Fertigstellung des eigenen Börsengebäudes am Paulsplatz am 7. Oktober 1843, in dem die Handelskammer einige Räume im Obergeschoss als Versammlungslokal und Archiv nutzte. 1879 schließlich bezog die Handelskammer Frankfurt am Main die “Neue Börse” an der Schillerstraße, wo sie bis heute - abgesehen von einer kleinen Unterbrechung von Mai 1945 bis Dezember 1946, als sie vorübergehend in der Bockenheimer Landstraße 25 untergebracht war - ihren Sitz hat.
1808 - 1816 | Joh. Gerhard Hofmann zum Spiegel |
1816 - 1818 | Johann Noë du Fay |
1819 | Constantin Fellner |
1819 - 1821 | Samuel Friedrich Osterrieth |
1822 - 1829 | Michael Friedrich Hauck |
1829 - 1831 | Eduard Schmidt-Polex |
1831 - 1843 | Joh. Fr. Hartmann Mack |
1844 - 1847 | Joh. Carl Ziegler-de Bary |
1848 - 1850 | Jacob Carl de Bary |
1851 - 1853 | Wilhelm Isaac Gillé |
1854 - 1858 | Carl August Meyer |
1858 - 1861 | Const. Alexander Scharff |
1862 - 1883 | Gustav Adolf von Neufville |
1884 - 1892 | Joh. Philipp Petsch-Goll |
1893 - 1899 | Max von Guaita |
1899 - 1900 | Alfred von Neufville |
1900 - 1915 | Jean Valentin Andreae |
1915 - 1918 | Richard von Passavant |
1919 - 1921 | Ernst Ladenburg |
1921 - 1933 | Otto Hauck |
1933 - 1942 | Prof. Dr. Carl Lüer |
1943 - 1945 | Hermann Gamer (Gauwirtschaftkammer Rhein-Main) |
1945 - 1950 | Dr. Alfred Petersen |
1950 - 1964 | Dr. Peter Bartmann |
1964 - 1980 | Fritz Dietz |
1980 - 1991 | Dr. Hans Messer |
1991 - 2000 | Dr. Frank Niethammer |
2000 - 2004 | Dr. Wolf Klinz |
seit 2004 | Dr. Joachim v. Harbou |
1867 - 1895 | Otto Puls |
1895 - 1904 | Dr. Hans (Johann) Hatschek |
1905 - 1937 | Prof. Dr. Hans Trumpler |
1935 - 1945 | Dr. Hermann Savelkouls (IHK für das Rhein-Mainische Wirtschaftsgebiet, ab 1943 Hauptgeschäftsführer der Gauwirtschaftskammer Rhein-Main) |
1945 | Dr. Fritz Mertens |
1945 - 1947 | Dr. Werner Hilpert |
1947 | Dr. Walter Leiske |
1948 - 1952 | Dr. Paul Beyer |
1952 - 1963 | Dr.Dr. Christian Krull |
1964 - 1965 | Dr. Kurt Hörnig |
1965 - 1976 | Klaus Freiherr von Verschuer |
1976 - 1983 | Dr. Kurt Hoffmeier |
1983 - 1993 | Richard Speich |
1993 - 2004 | Dr. Wolfgang Lindstaedt |
seit 2005 | Matthias Gräßle |
Geschichte der Handelskammer zu Frankfurt a.M. (1707 - 1908). Beiträge zur Frankfurter Handelsgeschichte. Hrsg. von der Handelskammer Frankfurt a.M., Frankfurt a.M. 1908.
1908-1958. Weitere fünfzig Jahre Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main. Bearbeitet von Erich Achterberg, Frankfurt a.M. 1960.
Eisenbach, Ulrich, Zwischen gewerblicher Interessenvertretung und öffentlich-rechtlichem Auftrag. Organisation und Rechtsstellung der Industrie- und Handelskammer Gießen seit 1872, in: 125 Jahre Industrie- und Handelskammer Gießen. Wirtschaft in einer Region. Hrsg. von Helmut Berding, Darmstadt 1997 (Schriften zur hessischen Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte 2), S. 5- 43.